Exkurs: Professionelle Handlungskompetenz für gelingenden Unterricht

Professionelle Handlungskompetenz gilt national wie international (vgl. u.a. Baumert & Kunter 2006; Kunter et al. 2011) als Voraussetzung für gelingenden Unterricht. Der Erfolg des unterrichtlichen Handelns wird dabei wesentlich durch das spezifische Professionswissen bestimmt. Dazu gehört neben pädagogischem Wissen und einem gut fundierten Fachwissen insbesondere ein umfangreiches fachdidaktisches Wissen. (s. Abb. – weiterführende Informationen s. Hellberg-Rode, Schrüfer & Hemmer 2014). Zudem kommen, im Sinne des holistischen Kompetenzbegriffs motivationale, volitionale und soziale Kompetenzen sowie metakognitive, d.h. reflexive Kompetenzen hinzu. 

Modell der Professionellen Handlungskompetenz (verändert nach Riese & Reinhold 2010, 170)

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Implementierung von BNE in schulische Bildungsprozesse auf der Grundlage der Agenda 2030 auch eine entsprechende Professionalisierung der verantwortlichen Lehrkräfte erfordert, die mit der Entwicklung einer spezifischen professionellen Handlungskompetenz für BNE verbunden ist. Der Nationale Aktionsplan BNE für Deutschland bewertet die „Kompetenzentwicklung von Lehrkräften“ als eine „… wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Implementierung von BNE in Hochschule, Lehrkräftebildung und Schule.“ Daher gilt es, „… die Kompetenzentwicklung der Lehrkräfte zu stärken …“ und flankierend dazu „… die Entwicklung von BNE-Kompetenzmodellen für die Lehrkräftebildung (Schul- und Hochschulebene) …“ zu fördern (Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung 2017, 29 – siehe dazu: → Frameworks und Kompetenzmodelle für BNE-Kompetenzen im internationalen und deutschsprachigen Kontext). 

Zusätzlich zu den erforderlichen Kompetenzen im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, die jede/jeder Lernende erwerben sollte, benötigen Lehrkräfte spezifische Fähigkeiten, um andere Menschen dabei zu unterstützen, Nachhaltigkeitskompetenzen zu entwickeln. Dazu zählen beispielsweise auch innovative Lehr- und Lernverfahren (UNESCO, 2017). Die professionelle Handlungskompetenz von Lehrkräften, die BNE in ihrem Unterricht realisieren wollen, umfasst nicht nur ein umfangreiches Wissen zur Analyse globaler Probleme und Kenntnisse spezifischer BNE-Kompetenzen, sondern erfordert auch „…einen professionellen Umgang mit ambivalenten Unterrichtssituationen sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, diese zu reflektieren und mit eigenem Wissen und eigenen Werten zu vergleichen“ (Gräsel et al. 2012, 12). Dies beinhaltet auch, das eigene Fach auf seine Relevanz im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung zu reflektieren und sich mit der eigenen Rolle in diesem Prozess auseinanderzusetzen (vgl. Hellberg-Rode & Schrüfer 2020).

Um die Frage zu klären, welche besonderen professionellen Handlungskompetenzen Lehrkräfte benötigen, um einen Unterrichtsprozess zu gestalten, der den Anforderung einer BNE gerecht wird, wurde eine erste Expertenbefragung durchgeführt (vgl. Hellberg-Rode & Schrüfer 2016). Dazu ließen sich im Rahmen dieser explorativen Studie faktorenanalytisch vier Kompetenzbereiche identifizieren:

Spezifische kognitive Kompetenzen im Kontext nachhaltiger Entwicklung

  • Kenntnis des Konzepts „Nachhaltige Entwicklung“ mit seinen grundlegenden Dimensionen und Prinzipien
  • Verständnis globaler Prozesse, ihrer Dynamik und Interdependenzen
  • Kenntnis gesellschaftlich diskutierter Problemlösungsansätze und -strategien im Kontext des globalen Wandels
  • Problemlösungsorientiertes Denken zur Entwicklung von Gestaltungsoptionen für eine nachhaltige Entwicklung
  • Grundlegende Kenntnisse über ökologische Systeme, Prinzipien und Prozesse
  • Kritische Reflexion und Beurteilung von Erscheinungen des globalen Wandels

BNE-spezifische methodisch-konzeptionelle Kompetenzen

  • Systemisches Denken
  • Kenntnis der BNE-spezifischer Kompetenzentwicklungsmodelle
  • BNE-spezifisches Methodenrepertoire (z.B.: Simulationsmodelle, Planspiele, Fallstudien …)
  • Nachhaltigkeitsdrei-/-viereck als basales Strukturierungsprinzip

Professionelle Kompetenzen im Kontext von BNE

  • Fähigkeit zur Partizipation und Mitgestaltung im Sinne der Agenda 21
  • Fähigkeit zum Perspektivenwechsel 
  • Öffnung von Schule und Kooperation mit externen Partnern
  • Veränderte Lehrerrolle (Lernbegleiter/ Lerncoach)
  • Gestaltung von Aushandlungsprozessen zur interkulturellen Verständigung und Konfliktlösung

Reflexiv-analytische Kompetenzen

  • Wissen über Wertediskurse
  • Bewertungskompetenz
  • Disziplinübergreifende Analyse von Problemen des globalen Wandels und Identifikation von Zielkonflikten
  • Umgang mit Komplexität und Unsicherheit

Das oben abgebildete Modell wurde in einer empirischen Erhebung zur Messung der professionellen Handlungskompetenz von BNE-Akteurinnen und -Akteurinnen in einer modifizierten Version bereits eingesetzt (Reinke 2017). Im Zentrum der Studie steht der Vergleich der professionellen Handlungskompetenz in Bezug auf BNE von Geographielehrkräften und außerschulischen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Als Erhebungsinstrument fungierte ein standardisierter Fragebogen, welcher sowohl offene als auch geschlossene Items zum Themenbereich Klimawandel enthält. Die kognitiven Komponenten der Handlungskompetenz standen hier im Vordergrund. Insbesondere für außerschulische Multiplikator*innen bietet die Studie den Mehrwert, dass deren Kompetenz nun auch empirisch belegt ist und deutlich macht, dass sie beispielsweise über ausgeprägtes Konzeptwissen verfügen.

Literatur:

Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9(4), 469-520. doi 10.1007/s11618-006-0165-2

Gräsel, C., Bormann, I., Schütte, K., Trempler, K., Fischbach, R. & Asseburg, R. (2012). Perspektiven der Forschung im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung. In Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.), Bildung für nachhaltige Entwicklung – Beitrage der Bildungsforschung (S. 7–25). Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Hellberg-Rode, G. & Schrüfer G. (2020). Professionalisierung für BNE in der Lehrkräftebildung. In Keil, A., Kuckuck, M. & Faßbender, M. (Hrsg.), BNE-Strukturen gemeinsam gestalten. Fachdidaktische Perspektiven und Forschungen zu Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Lehrkräftebildung (217-233). Münster, New York: Waxmann.

Hellberg-Rode, G. & Schrüfer, G. (2016). Welche spezifischen professionellen Handlungskompetenzen benötigen Lehrkräfte für die Umsetzung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung? Ergebnisse einer explorativen Studie. ZDB – Biologie Lehren und Lernen – Zeitschrift für Didaktik der Biologie 20, 1-29. doi:10.4119/UNIBI/zdb-v20-i1-317

Hellberg-Rode, G., Schrüfer, G. & Hemmer, M. (2014). Brauchen Lehrkräfte für die Umsetzung von BNE spezifische professionelle Handlungskompetenzen? Theoretische Grundlagen, Forschungsdesign und erste Ergebnisse. Zeitschrift für Geographiedidaktik, Journal of Geography Education, 4, 257–281.

Kunter, M., Baumert, J., Blum, W., Klusmann, U., Krauss, S. & Neubrand, M. (2011). Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm COACTIV. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann.

Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung (Hrsg.) (2017). Nationaler Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung. https://www.bne-portal.de/de/infothek/publikationen/1891

Reinke, V. (2017). Professionelle Handlungskompetenz von BNE-Akteuren. In K.-D. Altmeppen, F. Zschaler, H.-M. Zademach & C. Böttigheimer (Hrsg.), Nachhaltigkeit in Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Interdisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS. Riese, J. & Reinhold, P. (2010). Empirische Erkenntnisse zur Struktur professioneller Handlungskompetenz von angehenden Physiklehrkräften. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 16, 167-187.

UNESCO – United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (Hrsg.) (2017). Education for Sustainable Development Goals. Learning objectives. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000247444

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