
Kompetenzorientierung hat seit mehr als 20 Jahren Einzug in die deutschsprachigen Curricula erhalten und ist nicht mehr aus ihnen wegzudenken: Mit Beginn der Veränderungen im deutschen Bildungssystem als Reaktion auf den ersten „PISA-Shock“ über das Abschneiden deutscher Schüler*innen im Jahre 2000 wird Unterricht auf Basis von Bildungsstandards, Ländercurricula und Schulcurricula kompetenzorientiert, d.h. output-orientiert, gestaltet. Auch wenn die Förderung von Kompetenzen bei Lernenden in den verschiedenen Schulfächern v.a. auf kognitive Leistungsdispositionen fokussiert, liegt deren Beschreibungen doch grundsätzlich der holistische Kompetenzansatz von Weinert zugrunde, welcher Kompetenzen als „…die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ definiert (Weinert, 2001, 27f; vgl. Weinert 2001a).
Weiterführend beschreibt Rieckmann (2011, 49) Kompetenzen als „… individuelle Dispositionen, die kognitive, emotionale, volitive und motivationale Elemente umfassen; sie bilden also ein Konglomerat aus Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Motiven und emotionalen Dispositionen. Diese Komponenten sind Bestandteil jeder Kompetenz und dabei nicht als unabhängig voneinander, sondern in ihrem Zusammenspiel zu betrachten. Kompetenzen ermöglichen in verschiedenen komplexen Situationen selbstorganisiertes Handeln, wobei sie situations- und kontextbezogen mobilisiert werden.
Dieser Kompetenzbegriff liegt auch dem von der OECD veröffentlichten und vielfach rezipierten Konzept der übergreifenden Schlüsselkompetenzen zugrunde (Rychen & Salganik, 2001). Diese Schlüsselkompetenzen „… werden als transversale, multifunktionale und kontextübergreifende Kompetenzen verstanden, die – in einem definierten normativen Rahmen (zum Beispiel Nachhaltigkeit) – als besonders relevant für die Erreichung wichtiger gesellschaftlicher Ziele gelten. Sie sind für alle Individuen von Bedeutung und setzen einen hohen Grad an Reflexivität beim Individuum voraus“ (Rieckmann 2011, 49; vgl. Weinert 2001a).
Aufgrund des holistischen Ansatzes, der eben nicht nur kognitive, sondern auch motivationale und volitionale Kompetenzen berücksichtigt, liegen der Weinertsche Kompetenzbegriff, und in der Folge auch die OECD-Schlüsselkompetenzen (vgl. Rychen & Salganik 2001), den meisten Kompetenzmodellen und Referenzrahmen im Bereich von Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) zugrunde bzw. lassen sich mit ihnen in Passung bringen. Vergleichbares gilt im nächsten Exkurs auch für das Konstrukt der Professionellen Handlungskompetenz.
Literatur:
Rieckmann, M. (2011). Schlüsselkompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung der Weltgesellschaft – Ergebnisse einer europäisch-lateinamerikanischen Delphi-Studie. Gaia 20/1, 48-56.
Rychen, D. S. & L.H. Salganik (Hrsg.) (2001). Defining and Selecting key competencies. Seattle, WA: Hogrefe und Huber.
Weinert, F. E. (2001). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In F. E. Weinert (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen (17-31). Weinheim und Basel: Beltz.
Weinert, F. E. (2001a). Concept of competence: A conceptual clarification. In D. S. Rychen & L. H. Salganik (Hrsg.), Defining and selecting key competencies (45-65). Seattle, WA: Hogrefe und Huber.
Weiterführende Literatur:
Bormann, I. & de Haan, G. (2008). Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Operationalisierung, Messung, Rahmenbedingungen, Befunde. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-531-90832-8.pdf
Brundiers, K., Barth, M., Cebrián, G., Cohen, M., Diaz, L., Doucette-Remington, S., Dripps, W., Habron, G., Harré, N., Jarchow, M., Losch, K., Michel, J., Mochizuki, Y., Rieckmann, M., Parnell, R., Walker, P., & Zint, M. (2020). Key Competencies in Sustainability in Higher Education—Toward an Agreed-upon Reference Framework. Sustainability Science. doi.org/10.1007/s11625-020-00838-2
Wiek, A., L.Withycombe, & Redman, C. L. (2011). Key competencies in sustainability: a reference framework for academic program development. Sustainability Science 6(2): 203–218. doi.org/10.1007/s11625-011-0132-
Wiek, A, Bernstein, M., Foley, R., Cohen, M., Forrest, N., Kuzdas, C., Kay, B. & Withycombe Keeler, L.(2016). Operationalising competencies in higher education for sustainable development. In: M. Barth, G. Michelsen, M. Rieckman & I. Thomas (Hrsg.), Handbook of higher education for sustainable development (241-260). London: Routledge, London
