Studien und Ergebnisse zum Bereich „Vom Wissen zum Handeln“

Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Zukunftsängste unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen weit verbreitet sind (Clayton, 2020, Hickman et al., 2021, Kress, 2021).Exemplarisch sei hier eine internationale wissenschaftliche Studie dargestellt, die im Fachmagazin „Lancet Planet Health“ im Jahr 2021 veröffentlicht wurde (Hickman et al., 2021). In dieser wurden 10.000 Personen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren in zehn verschiedenen Ländern befragt. Die Ergebnisse zeigen: 75 Prozent stimmten der Aussage „Die Zukunft ist beängstigend“ zu, mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten glaubt außerdem, dass die Menschheit „dem Untergang geweiht“ sei. Zudem machten sich 59 Prozent der Befragten große oder extreme Sorgen über die Klimakrise. Weitere 45 Prozent gaben an, sich bezüglich des Klimas in einer Weise beunruhigt oder besorgt zu fühlen, die ihr tägliches Leben und ihre Funktionsweise beeinträchtigt. Dies gehe laut der Studie auch mit psychischen Problemen einher. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Jugendliche und junge Erwachsene besser dabei unterstützt werden können, sich nicht nur hilflos ausgeliefert zu fühlen, sondern ihr Wissen zu nutzen und sich aktiv bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen einzubringen.

Bezüglich dieser Fragestellung ist es wichtig, anzumerken, dass die Vermittlung von Wissen über bestimmte Problematiken, wie beispielsweise die Klimakrise, wohl nach wie vor die Herangehensweise ist, die am meisten genutzt wird, um Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen zu bewegen. Auch im Kontext der Hochschule wird in weiten Bereichen noch versucht, den Studierenden über die Vermittlung von Wissen, beispielsweise zur Klimakrise, das Ausmaß des menschlichen (und damit des eigenen) Einflusses auf die natürliche Umwelt bewusst zu machen. Dabei können zwei Informationsarten unterschieden werden: Problemwissen und Handlungswissen (Steg et al., 2012). Problemwissen ist das Wissen über existierende Problematiken, wie beispielsweise Umweltproblematiken und Handlungswissen ist das Wissen über entsprechende Verhaltensweisen. Allerdings kommen zahlreiche Studien zu dem ernüchternden Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen Wissen und tatsächlichem Umweltschutzverhalten eher niedrig ausgeprägt ist (Kazdin, 2009). Daraus lässt sich ableiten, dass die reine Vermittlung von Wissen selten zu wirklicher Verhaltensänderung führt. Dennoch ist das Vermitteln von Wissen eine wichtige Grundlage, um aufzeigen zu können, warum eine Verhaltensänderung nötig ist (vgl. Bilharz, 2002).

Doch wenn nur Problemwissen vermittelt wird, ohne dass gleichzeitig konkrete Handlungsoptionen (Handlungswissen) aufgezeigt werden, kann dies dazu führen, dass bei Menschen kognitive Dissonanz erzeugt wird. Hierunter versteht man in der Psychologie einen unangenehmen Gefühlszustand, der dadurch entsteht, dass die eigenen Handlungen nicht zu den jeweiligen Überzeugungen/Werten/Annahmen passen (Festinger, 1957). Ein Beispiel hierfür wäre, dass das eigene Verhalten („Ich esse in der Mensa viel Fleisch.“) nicht mit der eigenen Einstellung („Massentierhaltung ist für das Klima sehr schädlich.“) übereinstimmt. Dieser Spannungszustand wird als unangenehm erlebt. Um ihn aufzulösen, können Menschen auf unterschiedliche Strategien zurückgreifen. Entweder kann das Verhalten auf die eigenen Annahmen abgestimmt werden (zum Beispiel auf Fleischkonsum verzichten) oder aber die eigenen Annahmen werden angepasst, um das eigene Verhalten beibehalten zu können („Mein Verhalten macht eh keinen Unterschied.“). Welche von den beiden der oben beschriebenen Strategien nun von einer Person angewendet wird, hängt auch davon ab, ob sie entsprechende Möglichkeiten zur Verfügung hat, ins Handeln zu kommen, und diese Möglichkeiten als wirksam einstuft werden. Im alltäglichen Leben ist es allerdings häufig so, dass entsprechende nachhaltigere Handlungsoptionen weniger verfügbar sind und darüber hinaus fast immer die kompliziertere, unbequemere und oft auch teurere Option darstellen. In der Folge kann bei Menschen, die sich grundsätzlich nachhaltig verhalten möchten, die entstehende kognitive Dissonanz nur schwer durch aktives Handeln aufgelöst werden. Folglich neigen Menschen dann eher zur kognitiven Auflösung. Hierfür können unterschiedliche Strategien angewandt werden, wie beispielsweise die Bagatellisierung („Wenn es wirklich so schlimm wäre, wäre das ja gar nicht erlaubt.“), die Externalisierung von Verantwortung („Zuerst muss die Politik etwas tun.“) sowie abwärts gerichtete soziale Vergleiche („Die Anderen verhalten sich viel weniger umweltbewusst als ich.“).

Um zu verhindern, dass Menschen lediglich derartige Strategien verwenden, müssen gesellschaftliche Strukturen geschaffen werden, in denen nachhaltiges Verhalten zur Standardoption wird und in denen es deutlich einfacher wird, ins Handeln zu kommen. Auch im hochschulischen Kontext ist es äußerst wichtig, neben den individuellen Handlungsmöglichkeiten den Fokus vor allem auf die gesellschaftlichen Strukturen und deren Veränderungspotential zu richten. Es sollte unbedingt vermieden werden, den Eindruck zu vermitteln, dass sich die Handlungsoptionen eines Individuums ausschließlich auf die individuellen Verhaltensänderungen (im Sinne des ökologischen Fußabdrucks zum Beispiel auf das Fliegen zu verzichten, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren, faire Mode zu kaufen etc.) beschränken. Stattdessen sollte die Perspektive um das Konzept des „ökologischen Handabdrucks“ erweitert werden. „Der Handabdruck (Hand Print) – der im Gegensatz zum Fußabdruck nicht kleiner, sondern größer werden soll – steht symbolisch für nachhaltiges Handeln und Engagement.
[…] [Er] möchte positive Handlungsansätze fördern, die über das eigene individuelle Verhalten hinausreichen. Dem oft problemorientierten Ansatz des Verzichts und der Reduktion (Fußabdruck verkleinern) wird so ein proaktiver Ansatz der Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten (Handabdruck vergrößern) zur Seite gestellt“ (Reif & Heitfeld, 2015, S. 5f.). Im Kern bedeutet dies, mit Lernenden Handlungsoptionen zu reflektieren und zu entwickeln, die an strukturellen Rahmenbedingungen ansetzen und Fähigkeiten und Ideen aufzubauen, um die eigenen gesellschaftlichen Gestaltungsspielräume kennenzulernen und zu nutzen. Das Handeln selbst und das Lernen im Engagement sind dabei zentral (Heitfeld & Reif, 2021). Im Kontext von Hochschule könnte das beispielsweise bedeuten, dass sich Studierende dafür engagieren, dass in ihrer Mensa nur noch saisonales und biologisches Essen angeboten wird und dass die fleischfreie Option die preiswertere Standardoption darstellt. Hochschule kann in diesem Zusammenhang einen Vorbildcharakter haben und aufzeigen, in welche Richtung es gehen kann, wenn Strukturen und äußere Rahmenbedingungen nachhaltig gestaltet werden. Dies könnte in unterschiedlichen Bereichen sichtbar gemacht werden: in der Architektur und Ausstattung (bspw. Solarmodule, grüne Dächer und Aufenthaltsorte), der Verpflegung (biologisch, regional, saisonal, klimaneutral), der Erreichbarkeit (verlässlicher ÖPNV, sichere Radwege), der Müllentsorgung (Recycling, Kompost) und natürlich auch in der Lehre. 

Literatur:

Albert, M., Hurrelmann, K., & Quenzel, G. (Hrsg.) (2019). Jugend 2019. Eine Generation meldet sich zu Wort. Weinheim.

Bilharz, M. (2002). Vom Wissen zum Handeln. Fallstricke und Chancen für die Umweltbildung. https://www.umweltbildung.de/uploads/tx_anubfne/bilharz_wissen_handeln.pdf.

Clayton, S. (2020). Climate anxiety: Psychological responses to climate change. Journal of Anxiety Disorders, 74, 117-132. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2020.102263

Eagly, A. H., & Chaiken, S. (1993). The psychology of attitudes. Fort Worth.

Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford University Press.

Fritsche, I., Moya, M., Bukowski, M., Jugert, P., de Lemus, S., Decker, O., Valor-Segura, I., & Navarro-Carrillo, G. (2017). The great recession and group-based control: Converting personal helplessness into social class in-group trust and collctive action. Journal of Social Issues, 73(1), 117-137. https://doi.org/10.1111/josi.12207

Hickman, C., Marks, E., Pihkala, P., Clayton, S., Lewandowski, E., Mayall E. E., Wray, B., Mellor, C., & van Susteren, L. (2021). Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey. The Lancet Planetary Health, 5(12). e863-e873.

Kantrowitsch, V., & Peter, F. (2021). Klimakrise: Wie Menschenbilder Schule machen können. Vom „Fußabdruck“ zum „Handabdruck“. Praxis Schulpsychologie, 26, 6–8.

Kazdin, A. E. (2009). Psychological science’s contributions to a sustainable environment: extending our reach to a grand challenge of society.American Psychologist, 64(5), 339–356. doi: 10.1037/a0015685

Kress, D. (2021). Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometer 2021. Selbstverlag. https://www.greenpeace.de/publikationen/20210915_gp_nachhaltigkeitsbarometer_dv.pdf

Reif, A., & Heitfeld, M. (2015). Wandel mit Hand und Fuß. Mit dem Germanwatch Hand Print den Wandel politisch wirksam gestalten. www.germanwatch.orglsiteslgermanwatch.orglfi/eslpub/ication/15335.pdf

Steg, L., van den Berg, A. E., & de Groot, J. I. M. (2013) (Hrsg). Environmental psychology: An introduction. BPS Blackwell.

Autorin der Seite:

Anna Peitz, Umweltpsychologin (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt)

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