Diskussion zum Bereich „Vom Wissen zum Handeln“

Wie bereits oben aufgezeigt, ist es wichtig, jenseits von individuellen Konsumtipps viel stärker die strukturellen Bedingungen in den Fokus zu rücken. Damit übereinstimmend kommen Forschungsergebnisse zu dem Schluss, dass die Selbstwirksamkeitserwartung, also die Erwartung, durch das eigene Handeln etwas verändern zu können, größer ist, wenn Menschen das Gefühl haben, dass die Größe der Handlungsoptionen, die ihnen zur Verfügung stehen, annähernd zur Problemgröße passen. Einige Wissenschaftler*innen bezeichnen diese Passung als „Epistemic Fit“ (Grund & Brock, 2019, vgl. dazu auch das „integrierte Handlungsmodell“ (Rost, Gresele & Martens, 2001; siehe Good Practice Beispiel L_05)).

Gerade im Rahmen der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich BNE widmet, kann schnell das Gefühl aufkommen, dass die eigenen individuellen Handlungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind. Und wer glaubt, das eigene Verhalten habe keine relevanten Auswirkungen, für den oder die macht es „eh keinen Sinn, überhaupt entsprechend zu handeln“ (Hamann et al., 2016, S. 33). Deshalb ist es sehr wichtig, Menschen Erfahrungen von Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Unter Selbstwirksamkeit wird die Gewissheit verstanden, eine Anforderung mit den eigenen Fähigkeiten meistern zu können (Bandura, 1991). Hierbei kann zwischen individueller Selbstwirksamkeitserwartung (inwiefern kann ich persönlich etwas dazu beitragen, dass wir Menschen in Zukunft nicht mehr über die planetaren Grenzen leben?) und kollektiver Wirksamkeitserwartung (inwiefern können wir als Gruppe oder als Bewegung gemeinsam dazu beitragen, dass wir Menschen in Zukunft nicht mehr über die planetaren Grenzen leben?) unterschieden werden (Heitfeld & Reif, 2020). Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die kollektive Wirksamkeitserwartung im Rahmen einer BNE von besonderer Bedeutung ist: Gemeinsam mit Gleichgesinnten können Menschen ein Yes-We-Can-Gefühl entwickeln und übersetzen ihr Wissen eher in Handeln. Auch ihr individuelles Hilflosigkeitserleben können Menschen in diesem Zusammenhang durch ein kollektives Gefühl von Wirksamkeit ersetzen. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei Krisen wie der Klimakrise oder Biodiversitätskrise um kollektive Krisen handelt, die nur gemeinschaftlich gelöst werden können, erscheint es nur logisch, dass Menschen eher vom Wissen ins Handeln kommen, wenn sie zu einer Gruppe gehören, von welcher sie erwarten, mit dieser gemeinsam das Ziel eher erreichen zu können. Folglich ist es auch im Kontext der Hochschule wichtig, dass Studierenden Strukturen, wie z. B. ein Green Office im Rahmen eines Whole Institution Approach der eigenen Hochschule und/oder die Arbeit in einem studentischen Netzwerk, wie beispielsweise das Netzwerk n (https://netzwerk-n.org/), zur Verfügung gestellt werden, in welchen sie sich gemeinschaftlich engagieren und somit Erfahrungen der kollektiven Wirksamkeit sammeln können. 

Literatur:

Bandura, A. (1991). Social cognitive theory of self-regulation. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50(2), 248–287.

Grund, J., & Brock, A. (2019). Why We Should Empty Pandora’s Box to Create a Sustainable Future: Hope, Sustainability and Its Implications for Education. Sustainability 11(3), 893. doi:10.3390/su11030893

Hamann, K., Baumann, A., & Löschinger, D. (2016). Psychologie im Umweltschutz. Handbuch zur Förderung nachhaltigen Handelns. oekom. https://www.oekom.de/buch/psychologie-im-umweltschutz-9783865817990

Heitfeld, M., & Reif, A. (2020): Transformation gestalten lernen. Selbstverlag. www.germanwatch.org/de/19607

Rost, J., Gresele, C., & Martens, T. (2001). Handeln für die Umwelt – Anwendung einer Theorie. Waxmann.

Weiterführende Literatur:

Hellbrück, J., & Kals, E. (2012). Umweltpsychologie. Springer VS.

Hunecke, M. (2022). Psychologie der Nachhaltigkeit. Vom Nachhaltigkeitsmarketing zur sozial-ökologischen Transformation. oekom.

Rasfeld, M. (2021). FREI DAY: Die Welt verändern lernen! Für eine Schule im Aufbruch. oekom.

Schmitt, C. T., & Bamberg, E. (2018), Psychologie und Nachhaltigkeit. Konzeptionelle Grundlagen, Anwendungsbeispiele und Zukunftsperspektiven. Springer.

Welzer, H. (2019). Alles könnte anders sein: Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen. S. Fischer Verlage.

Autorin der Seite:

Anna Peitz, Umweltpsychologin (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt)

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